Der Muse­umsver­band für die Prov­inz Sach­sen und für Anhalt 1933 bis 1945

01.11.2019 bis 31.05.2021

Im Mittelpunkt stand die Erforschung der bislang weitgehend unbekannten Akteure und Strukturen des „Verbandes zur Förderung der Museumsinteressen in der Provinz Sachsen und im Freistaat Anhalt e. V.“ zwischen 1933 und 1945.

Projekttitel: Der Museumsverband für die Provinz Sachsen und für Anhalt. Der Einfluss der Museumsberatung und ihrer Netzwerke auf die Museen in der Provinz Sachsen und im Freistaat Anhalt während der NS-Zeit. Akteure, Strukturen, Mittel und Verflechtungen

Projektleitung: Dr. Annette Müller-Spreitz

Projektbearbeiter: Sven Pabstmann

Gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und vom Land Sachsen-Anhalt

Projektbeschreibung

Wie wir jetzt wissen, wurde der Verband 1929 gegründet und hieß ab 1936 „Museumsverband für die Provinz Sachsen und für Anhalt e. V.“ Des Weiteren standen die Einflussbereiche der im Jahr 1936 per Erlass des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung eingesetzten staatlichen Museumspfleger im Freistaat Anhalt und in der preußischen Provinz Sachsen im Mittelpunkt des Interesses. 

Zur Aufarbeitung der Verbandsgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus ging darum, in welchem Maße die Museumsberatung auf die Museen der Region sowie deren inhaltliche Arbeit Einfluss genommen hat und wie diese Beratungsfunktion heute ideologisch zu bewerten ist. Außerdem sollten ihre (nationalsozialistischen) Netzwerke zu Museumspflegern und Museumsmitarbeitern betrachtet werden.

Personen und Strukturen

Für sieben Verantwortliche wurden teilweise erstmals Biogramme erarbeitet: 

  • vom Initiator und ersten Vorsitzenden des Museumsverbandes 1929–1930 Heinrich Waentig,
  • vom Vorsitzenden des Museumsverbandes 1930–1933 (1936) Erhard Hübener,
  • vom Landeshauptmann und Vorstand des Museumsverbandes (1933) 1936–1945 Kurt Otto,
  • vom Gründungsmitglied und Geschäftsführer des Museumsverbandes 1929–1945 Siegfried Berger,
  • vom Museumspfleger der Provinz Sachsen Walther Schulz,
  • vom Stellvertreter des Museumspflegers der Provinz Sachsen Paul Grimm und 
  • vom Museumspfleger des Freistaates Anhalt Gustav Hinze.

Siegfried Berger/Georgy v. Kameke (Bearb.): Verzeichnis der Museen, Heimat- u. Geschichtsvereine, Büchereien, Archive und Lichtbildstellen in der Provinz Sachsen und in Anhalt, hrsg. vom Verb. z. Förderung d. Museumsinteressen in d. Prov. Sachsen u. in Anhalt e. V., 2., erw. Aufl., Merseburg 1935.  

Es wurde untersucht, inwiefern das Verwaltungshandeln der staatlichen Museumspfleger etwa aufgrund der Zugehörigkeit zur NSDAP und zu völkischen Gruppierungen, z. B. dem Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte, NS-Unrecht Vorschub leistete. Für Walther Schulz konnten anhand des gesichteten Aktenmaterials kaum derartige Belege gefunden werden. Er verbreitete beispielsweise in seiner Funktion als Museumspfleger ministerielle Verfügungen, die z. B. den Besuch von Museen durch Juden verboten, half bei den Planungen für das NS-Museum in Halle und förderte die Präsentation prähistorischer Funde in Heimatmuseen im Hinblick auf die Blut- und Bodenpolitik. 

Größtes Augenmerk der Recherche lag auf Hinweisen zu NS-Raubgut, zur Beschlagnahmung von Kunst- und Kulturgut aus jüdischem Besitz und dessen Überführung in Museumsbesitz. Möglicherweise geschah dies auch auf Betreiben des Museumsverbandes oder der staatlichen Museumspfleger. Solche Indizien tauchen in den geprüften Unterlagen nicht auf. Das schließt nicht aus, dass es zwischen 1933 und 1945 in der Provinz Sachsen und im Freistaat Anhalt NS-verfolgungsbedingte Beschlagnahmungen oder Zwangsverkäufe gab. Erwerbungen von Kunst- und Kulturgut aus ehemals jüdischem Besitz sind zum Beispiel für das Kunstmuseum Moritzburg (Halle) belegt. 

Allerdings fanden sich in Akten Vorschläge für die Berufung von sieben „Sachverständigen für die Verwertung von Schmuck und Kunstgegenständen aus jüdischem Besitz in der Provinz Sachsen". Darunter wird Hermann Giesau (1883–1949) genannt. Als Provinzialkonservator der Provinz Sachsen (1930–1945) war er Vorstandsmitglied des Museumsverbands und Mitglied in dessen nur wenige Jahre bestehendem künstlerischen Ausschuss. Die Identifizierung der Sachverständigen sowie ihre Kompetenzen, wie Gutachtertätigkeit und Befugnisse im Zusammenhanghang mit der Beschlagnahmung und Verwertung von jüdischem Besitz, müssten über eine Aktensuche noch geklärt werden.

Die nationalsozialistische Herrschaft wirkte sich rasch auf die Organisationsstruktur und personelle Zusammensetzung des Museumsverbandes ab 1933 aus: Die Absetzung des sozialdemokratischen Vorsitzenden Erhard Hübener im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 und die Einsetzung des Nationalsozialisten Kurt Otto als Landeshauptmann und folglich auch seine Ernennung 1936 zum Vorstand des Museumsverbandes stellen eine deutliche Zäsur in der Verbandsgeschichte dar. Das Wirken Ottos als Verbandsleiter bleibt jedoch weitgehend im Dunkeln und lässt sich den folgenden Veränderungen nur schwer zuordnen. 

Ein weiterer Einschnitt dürfte das „Kaltstellen“ des künstlerischen Ausschusses sein. Die Spur seiner Tätigkeit verliert sich ab 1933/34 in den Akten. Gründe dafür könnten sein, dass dessen Mitglieder für die Kunst der Klassische Moderne eintraten, zum Teil jüdischer Herkunft oder am Bauhaus Dessau tätig waren. 1936 folgte durch die Einführung des „Führerprinzips“ wieder eine Straffung der Verbandsstruktur.

Zum anderen spiegeln die Akten eine sich den geschichtlichen Ereignissen ideologisch angepasste inhaltliche Arbeitsweise des Verbandes: Ab 1934 erfolgte eine starke Annäherung an den Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte. Vier Jahre später, 1938, beschränkte die Eingliederung in den Heimatbund die inhaltliche Bandbreite. Belege für eine Einflussnahme des Museumsverbandes oder der staatlichen Museumspfleger auf eine NS-Propagandazwecken dienende Umgestaltung bzw. Neuakzentuierung von Museumsausstellungen finden sich kaum. Die Recherchen zeigen beispielsweise, dass der Verband die Bestandsbildung von Museen in Einzelfällen mittels finanzieller Beihilfen beim Erwerb von Sammlungen unterstützte.

Organigramm des Verbandes zur Förderung der Museumsinteressen Provinz Sachsen und Freistaat Anhalt 1929-1936

Offene Fragen – mangelnde Quellenlage

Ein genaueres Bild der Verbandsaktivitäten in der NS-Zeit lässt sich derzeit nicht zeichnen. Möglicherweise geben bislang unentdeckte Unterlagen in den Museen wie etwa Mitschriften und Korrespondenzen eines damals aktiven Verbandsmitglieds genauer Aufschluss. Weitere Anknüpfungspunkte für weiterführende Provenienzrecherchen ergeben sich wahrscheinlich aus den Aktivitäten des Museumsverbandes und der Museumspfleger, zum Beispiel ihre Unterstützung einzelner Museen beim Erwerb von Sammlungen, bei der Durchführung der „Metallmobilisierung im Bereich der Museen“ und der Luftschutzmaßnahmen für wertvolles Kunst- und Kulturgut während des Zweiten Weltkrieges. Die überlieferten Meldebögen der Metallspenden ermöglichen zwar keinen genauen Rückschluss auf einzelne Objekte, doch bieten sich bei entsprechender Quellenlage vertiefende Einzelfalluntersuchungen für Metallgegenstände ausgehend von den meldenden Museen an. Bisher sind diese Meldebögen nicht als Quelle für die Provenienzforschung besprochen bzw. ausgewertet worden. Sicher sind Akten dazu im Bestand des Provinzial- bzw. Landeskonservators und des staatlichen Museumspflegers für die Provinz Sachsen zu finden.

Auch zur Arbeit von Gustav Hinze lässt sich zum Ende des Projekts nichts Konkretes zu dessen Einflussnahme auf die Bestandsbildung, Ausstellungsgestaltung oder inhaltliche Ausrichtung der Heimatmuseen in Anhalt während der NS-Zeit sagen, weil Quellen durch Kriegsverlust fehlen. Eventuell können Einzeluntersuchungen an ausgewählten Museen Näheres zu Tage fördern.