Der Afrikareisende Hans Schomburgk

01.01.2022 bis 15.01.2023

Für die Sammlungsbestände, die sich auf Hans Schomburgk (1880–1967) – ein Militärangehöriger, Großwildjäger, Filmemacher, selbsternannter Arfikaforscher, Tierschützer – zurückführen lassen, am Museum Burg Querfurt (MBQ) und am Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig (IfL) waren die Herkunftsgebiete der Objekte in Afrika lückenhaft bzw. ungenau hinterlegt und die Erwerbsumstände während seiner Afrikareisen zwischen 1897 und 1958 völlig unbekannt. Ausgehend von den Beständen ethnologischer Objekte in vier Sammlungen (noch Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt Hamburg (MARKK) und Ethnologisches Museum Berlin) hat das Projekt erstmals die Kontexte des Erwerbs von Ethnographika durch Hans Schomburgk in verschiedenen Regionen Afrikas erforscht.

Projekttitel: Der Afrikareisende Hans Schomburgk – Sammeln, um zu zeigen. Erwerbskontexte von ethnologischen Objekten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert

In Kooperation mit dem Museum Burg Querfurt und dem Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig

Projektleitung: Dr. Annette Müller-Spreitz

Projektbearbeiter: Dr. Lars Müller

Gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und vom Land Sachsen-Anhalt


Ergebnisse des Projekts

Museum Burg Querfurt (MBQ) – 49 Objekte

Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig (IfL) – 44 Objekte

Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt Hamburg (MARKK) – 13 Objekte

Ethnologisches Museum Berlin – ein Objekt

Eine Übersicht über Standorte von: 

Ethnologischen Objekten – 7 Sammlungen 

Fotografien – 6 Sammlungen

Audio/ visuellem-Material – 4 Sammlungen 

Der Projektbearbeiter reiste im Rahmen des Projektes zwei Mal nach Liberia. Im Austausch mit Kolleg:innen in Togo und vor allem in Liberia (National Museum, University of Monrovia, Gola Heritage Foundation) kam es zu Interviews mit Elders, Traditional Leaders und mit Vertreter:innen von „Geheimgesellschaften“. 

Bisher war Hans Schomburgk aus einer Perspektive der Filmgeschichte und teils der Großwildjagd bzw. des Tierhandels beforscht worden. Das Provenienzforschungsprojekt zeigt, dass seine Sammeltätigkeit in kolonialen Kontexten eine wichtige Ergänzung für ein ganzheitliches Bild seiner Aktivitäten ist. Anhand von Archivmaterialien kombiniert mit Schomburgks Produktionen (mehr als 30 Bücher, 10 Spiel- und Dokumentarfilme, Fotografien) und von ihm gesammelten 107 Objekten legt der Projektbearbeiter vielfältige Verflechtungen zur Kolonialzeit dar. 

Im Projekt konnte gezeigt werden, dass Hans Schomburgk ethnologische Objekte sammelte, um sich zu erinnern, um zu dokumentieren und um andere zu beeindrucken. Die Objekte dienten ihm natürlicherweise als persönliche Souvenirs, aber auch als Kuriositäten zum Zeigen bei seinen Vortragsreisen sowie für sein Geltungsbewusstsein. Oft filmte er gesammelte Objekte bei ihrer Benutzung oder Produktion – beispielsweise Speere beim Zerlegen eines getöteten Elefanten, eine Spindel bei der Baumwollproduktion oder einen Hut und Hutmacher der Haussa. Das Beispiel des Mafue-Steines zeigt aber auch Schomburgks Erfindung verschiedener Szenen, die er als historische Wahrheit darstellte und mit denen er einen gewissen Unterhaltungswert beabsichtigte. Dabei vertrat er die zeitgenössische Vorstellung, die afrikanischen Kulturen bewahren zu müssen, da sie untergehen. Hans Schomburgk generierte technisch sehr aufwendig Filmaufnahmen, führte ein Audiogerät für Lautaufnahmen mit und sammelte Objekte. Er steigerte diese Idee bei einer Expedition im Jahr 1931, um (bewegte) Bilder der gesammelten Dinge im ursprünglichen Kontext zur Verfügung zu haben. Schomburgks Bedürfnisnach Anerkennung einer wissenschaftlichen Leistung zeigt sich in diesem Vorgehen. In seiner Selbstdarstellung beschreibt er beispielsweise den wissenschaftlichen Wert des Mafue-Steins und schenkt ihn demonstrativ an ein Museum, obwohl ein Händler ihm hierfür viel Geld geboten habe. 

Im Projektverlauf kristallisierten sich zehn Personen heraus, die Schomburgk auf seinen Reisen begleiteten und daher als Mitwirkende beim Sammeln bzw. als Quellen für sein Sammeln eine Rolle spielen: drei weibliche Familienangehörige, fünf Mitarbeiter an Filmprojekten – darunter ein Afrikaner, Momolu Freemann der Gruppe der Vai angehörig und Unteroffizier in der deutschen Schutztruppe in Kamerun – und zwei Weggefährten, die auch sammelten.

An die Erwerbspraktiken konnte sich der Projektbearbeiter unterschiedlich stark annähern. Deutlich wurde, dass Schomburgks Interesse unterhaltsame Geschichte zu erzählen, Einfluss auf seine Dokumentation der Erwerbsgeschichten hatte. Schomburgks Überlieferungen sind, auch wenn sie kritisch sind, nicht zwangsläufig glaubhaft. Dies zeigt die Geschichte um den Erwerb des Mafue-Steins, die er in verschiedenen Varianten erzählt. Aber auch die Erwerbung der Nomoli-Figur scheint mit dem „Raub als kulturelle Praxis“ von ihm erfunden zu sein. Für die Mehrzahl der Objekte des alltäglichen Lebens oder des Handwerks ist ein Kauf oder ein Geschenk wahrscheinlich. So sind Verhandlungen über Drehgenehmigungen und Objekte glaubhaft belegt. Diese Verhandlungen sind aus heutiger Sicht schwierig zu bewerten. Das von Schomburgk ausführlich dargelegte Beispiel des Konkomba-Helms verdeutlicht, wie er einen fairen Preis bezahlen wollte. Allerdings schickte er Polizisten in ein Dorf, um Personen zu suchen, die bereit waren, Objekte abzugeben. Als die Polizisten den Ort verließen, zogen die Personen ihre Verkaufsbereitschaft zurück. Das offenbart, wie diese sich ggf. unter Druck gesetzt fühlten. Schomburgk wurde als Teil des kolonialen Regimes gesehen und dies beeinflusste alle möglichen Kaufsituationen. 

Das Projekt öffnet auch die Perspektive auf die Forschung nach der Herkunft und Produktion von (audio)visuellem Material. Hans Schomburgk hat Aufnahmen in Liberia oder Togo angefertigt, an denen Personen dort großes Interesse haben. Um die Motive und Filmszenen einzuordnen, ist es noch nötig, die Entstehungskontexte dieser Aufnahmen zu erforschen. Erstens besteht in Liberia ein großes Interesse an den dokumentarischen Filmaufnahmen, die Hans Schomburgk in Liberia aufgenommen hat. Eine Rückführung sowie eine Nutzung für Bildungszwecke sind erstrebenswert. Zweitens kristallisierte sich in den vor Ort geführten Interviews nicht die Rückgabe der Objekte als Hauptthema heraus, sondern es wurde deutlich darauf hingewiesen, dass die Objekte für Bildungszwecke eingesetzt werden sollen sowie als Brücke zwischen Liberia und Deutschland dienen sollten. Hier wurde in den begrenzten Möglichkeiten des Projektes bereits eine entsprechende Online-Ausstellung konzipiert. Wünschenswert wäre, mit der Neukonzeption der Ausstellung im Museum Burg Querfurt und einer möglichen Ausstellung im Leibniz-Institut für Länderkunde hieran anzuknüpfen und eine gemeinsame Ausstellung mit Liberia zu planen. Drittens wurde nachdrücklich von Liberia gefordert, mehr über liberianische Sammlungen in Europa zu erfahren. Auch dies wurde versucht, in der Projektlaufzeit anzustoßen, in dem ein gemeinsamer Workshop mit weiteren Sammlungen durchgeführt wurde. Aber dies kann nur als Startpunkt gesehen werden, auf den aufgebaut werden sollte. Ein solches Projekt sollte nicht nur als gemeinsame Arbeit mit dem National Museum und der University of Monrovia verstanden werden, sondern vor allem auch vor der Dokumentationslage der eigenen Geschichte in Liberia gesehen werden.